Welche Immunsuppressiva können bei Transplantationspatienten das Risiko für die Entstehung von Lymphdrüsenkrebs verringern? Dieser Frage ging das Team um Prof. Dr. Nina Babel, Leiterin des des Centrum für Translationale Medizin der Medizinischen Klinik I des Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum, in Kooperation mit der Charité in Berlin in einer neuen Studie nach. Dabei stellte sich vor allem ein Medikament als vielversprechend heraus. Das Ergebnis der Studie wurde auf der Jahrestagung 2022 der Deutschen Transplantationsgesellschaft ausgezeichnet.
Patienten müssen nach einer Organtransplantationen Immunsuppressiva einnehmen, also Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken. So wird verhindert, dass das körpereigene Immunsystem das transplantierte Organ abstößt. Eine unerwünschte Nebenwirkung: Die Immunabwehr gegen Infektionskrankheiten wird geschwächt. Das ist nicht nur ein Problem bei akuten Infektionen, wie etwa mit dem Coronavirus, sondern auch bei chronischen Infektionen.
Einer der häufigsten Auslöser für chronische Infektionen ist das Epstein-Barr-Virus. Mehr als 90 % der Bevölkerung infizieren sich im Laufe des Lebens damit. Die Infektion verläuft meist ohne Symptome und bleibt bei den meisten Menschen folgenlos. Besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann sich die frische Infektion jedoch als sogenanntes Pfeiffersches Drüsenfieber äußern. Zudem gehen Ärzte davon aus, dass die Erkrankung das Risiko für die Entwicklung von Lymphdrüsenkrebs erhöht.
Epstein-Barr-Virus für Transplantationspatienten besonders riskant
„Das Immunsystem ist bei fast jedem von uns im Hintergrund stetig damit beschäftigt, das Epstein-Barr-Virus zu kontrollieren. Das funktioniert auch meist sehr gut. Aber bei transplantierten Patienten kommt es durch die Immunsuppressiva bei einigen Patienten zu einer starken Vermehrung von virusinfizierten Zellen, was im schlimmsten Fall zu Lymphdrüsenkrebs führt“, erklärt Prof. Dr. Timm Westhoff, Klinikdirektor der Medizinischen Klinik I – Allgemeine Innere, Nephrologie und Hypertensiologie, Gastroenterologie, Pneumologie des Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum.
Team des Marien Hospital Herne untersucht Auswirkungen von Medikamenten im Labor
„Der beste Weg die Vermehrung von virusinfizierten Zellen zu reduzieren und somit das Krebsrisiko zu senken, ist daher, die Immunsuppression zu reduzieren. Leider gibt es keine guten Studien dazu, wie man das genau machen sollte. Denn die Erkrankung ist selten und entsprechend schwer ist es, Studien zur Behandlung zu erstellen“ so Prof. Dr. Nina Babel. Daher hat das Team unter Leitung von Prof. Babel Gewebeproben von gesunden Probanden und von Patienten mit einem transplantierten Organ im Labor mit dem Epstein-Barr-Virus angereichert. Gleichzeitig hat das Forscherteam denselben Probanden Immunzellen entnommen, die für die Bekämpfung des Epstein-Barr-Virus verantwortlich sind. Anschließend wurden die Auswirkungen verschiedener Medikamente auf die angereicherten Zellen und die Immunzellen untersucht.
Vielversprechendes Medikament
Die Forscher fanden heraus, dass es starke Unterschiede zwischen den einzelnen Medikamenten gibt. Einige hindern das Wachstum der angereicherten Zellen, was helfen kann die Erkrankung zu verhindern. Andere wiederum unterdrücken die aktiven Immunzellen stark, die gegen das Epstein-Barr-Virus kämpfen. Dies begünstigt die Entstehung von Lymphdrüsenkrebs. Einen positiven Effekt sowohl auf die infizierten Zellen als auch die Immunzellen fand das Team bei einem Medikament aus der Gruppe der sogenannten mTOR-Inhibitoren. „Das sind Medikamente, die wir schon klinisch einsetzen, aber die trotzdem nur ein relativ geringer Anteil der transplantierten Patienten erhält. Die Einnahme dieser Medikamente könnte bei Transplantationspatienten eine Abstoßung des transplantierten Organs verhindern und gleichzeitig eine bessere Kontrolle des Immunsystems über das Epstein-Barr-Virus ermöglichen und so schwere Erkrankungen zu verhindern“, erklärt Prof. Westhoff. „Unsere Arbeit legt den Grundstein für weitere klinische Studien mit diesem Medikament,“ fasst Prof. Nina Babel das Ziel der Studie zusammen.
„Titelbild: „Checking Blood Sample“ von National Eye Institute lizenziert unter CC BY 2.0 .