Seit Anfang des Jahres infizieren sich Menschen auf der ganzen Welt mit dem neuartigen Coronavirus. Einige bemerken die Infektion gar nicht oder verspüren nur leichte Symptome, andere wiederum erkranken schwer oder versterben sogar daran. Weshalb es zu so unterschiedlichen Krankheitsverläufen kommt, können sich Mediziner und Forscher noch nicht vollständig erklären. Eine aktuelle Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Nina Babel, Leiterin des Centrum für Translationale Medizin der Medizinischen Klinik I des Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr Universität Bochum, liefert nun neue Erkenntnisse.
Die neue Studie legt nahe, dass schwere Verläufe einer Covid-19-Erkrankung nicht etwa durch eine zu schwache Immunität gegen das Virus ausgelöst werden, sondern im Gegenteil eine zu starke Reaktion des Immunsystems dafür verantwortlich ist. Für die Studie untersuchten Prof. Dr. Nina Babel, Leiterin des Centrum für Translationale Medizin der Medizinischen Klinik I des Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr Universität Bochum, und ihr Forschungsteam spezifische Antikörper und sogenannte T-Zellen bei leicht und schwer erkrankten Covid-19-Patienten sowie an der Krankheit Verstorbenen.
Der Kampf des Körpers gegen das Virus
„Wenn der menschliche Körper von einem Virus befallen wird, wird seine Immunabwehr aktiv“, erklärt Prof. Babel. „Eine wichtige Rolle dabei spielen Antikörper sowie eine Untergruppe von weißen Blutzellen, die sogenannten virus-spezifischen T-Zellen. Diese können infizierte Zellen töten und somit das Virus besiegen. Es besteht die Vermutung, dass eben diese T-Zellen die Erkrankten schützen, da sie im Rahmen anderer Studien vor allem bei wieder genesenen Covid-19-Patienten gefunden wurden.“
Erkrankt, genesen oder verstorben – Unterschiede in der Immunreaktion? Andererseits lassen die Ergebnisse weiterer Studien, die in den vergangenen Wochen veröffentlich wurden, darauf schließen, dass eine zu starke Immunantwort für schwere Covid-19-Verläufe verantwortlich sein könnte. Welche Rolle die virus-spezifischen T-Zellen dabei spielen, ist noch nicht geklärt. „Diese These wollten wir tiefergehend überprüfen. Dafür haben wir die Antikörper und die Sars-Cov-2-spezifischen T-Zellen in Bezug auf den Verlauf der Krankheit und die Virusbeseitigung untersucht“, so Prof. Dr. Timm Westhoff, Direktor der Medizinischen Klinik I. „Dabei haben wir herausgefunden, dass Patienten mit leichten Krankheitsverläufen oder bereits genesene Patienten keine bessere Immunreaktion auf das Coronavirus entwickelt hatten als diejenigen mit schweren Verläufen und Lungenversagen. Bei Letzteren konnte man zum Teil sogar eine stärkere Immunität feststellen.“ Des Weiteren konnten die Wissenschaftler auch keinen Unterschied in der Stärke und Funktionalität der Immunantwort bei Patienten feststellen, die aktuell erkrankt oder bereits genesen waren.
Zu starke Immunantwort verursacht schwere Verläufe?
„Diese Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass vermutlich eine überschießende, also zu starke, Immunantwort auf das Coronavirus schwere Krankheitsverläufe zur Folge hat, da diese eine Entzündung auslösen kann, die zur Schädigung des Organismus führt“, resümiert Prof. Babel. „Dies würde auch erklären, warum erste Versuche mit Therapien, die die Immunantwort unterdrücken, bei Covid-19-Patienten erfolgreich waren. Natürlich werden jedoch weitere Studien benötigt, um die Vorgänge in den Körpern von Erkrankten endgültig verstehen zu können.“